„Seidenhochzeit“ nennt man das Fest zum vierjährigen Ehestand: Die noch junge Liebe hängt noch am seidenen Faden, doch das muss nichts Schlechtes sein. Denn trotz ihrer scheinbaren Fragilität gilt die Seide als die stärkste Naturfaser überhaupt. Wer die Seidenhochzeit erreicht hat, darf tendenziell auf mehr hoffen. 

Anders in der Ampelkoalition: Es kracht und kriselt an allen Ecken. Mehr als 80 Stunden musste man kürzlich verhandeln, um sich auf einen Haushaltsentwurf für 2025 zu einigen. Trotzdem klafft darin immer noch ein 17-Milliarden-Euro-Loch. Dass die Vernunftsliaison zwischen Rot, Gelb und Grün keine Zukunft mehr hat, machte FDP-Chef Christian Lindner nun im „Sommerinterview“ der ARD klar. Seine Worte Richtung SPD und Grünen sind so scharf, dass der seidene Faden nun als durchtrennt gelten darf.

Klare Warnung vor den Koalitionspartnern

Die politische Lebensabschnittspartnerschaft zerbricht – wie so manche reale Ehe – am Geld. Denn davon ist leider nicht mehr so viel vorhanden wie noch 2020, also vor Corona, vor dem Krieg in der Ukraine, vor der Energiekrise und vor der Inflation. Künftig muss deshalb mit deutlich geringerem Budget gewirtschaftet werden. Wie soll das vorhandene Kapital ausgegeben werden – und wie nicht? Lindner warnt hier ausdrücklich vor den eigenen Koalitionspartnern: „SPD und Grüne würden sofort die Steuern in Deutschland erhöhen. Sofort. Da zögern die keine Sekunde!“

Für den Finanzminister und FDP-Chef steht fest: Um weiterhin an der Schuldenbremse festhalten zu können, führt am Umbau des – teuren – Sozialstaates kein Weg herum. Denn „wir haben nicht zu wenig Geld, sondern wir haben zu hohe Ausgaben“. Vor allem das Bürgergeld, so Lindner, habe die Erwartungen nicht erfüllt und müsse daher weiter reformiert werden. Eine späte und deshalb ziemlich teure Erkenntnis.

Die FDP ist zurück im Polit-Tinder

Mit dem inoffiziellen Einreichen der Scheidungspapiere hübscht Christian Lindner seine FDP gleich mal auf für den kommenden Polit-Tinder. Um seine Äußerungen zum Bürgergeld als anbiedernde Maßnahme in Richtung Union zu interpretieren, muss man keinen Partnerschaftstest bemühen. Die Forderung nach „mehr Konsequenz für Trittbrettfahrer“ klingt extrem wie CDU-General Carsten Linnemann jüngstes Plädoyer, Arbeitsunwilligen die staatlichen Subventionen künftig komplett zu streichen.

Lindner nennt es in der ARD eine Grundsatzentscheidung, vor der die deutschen Wähler bei der nächsten Bundestagswahl stünden: Wollen sie höhere Steuern und mehr Schulden – oder aber Bürokratieabbau, ambitionierte Strukturveränderungen und wachstumsfreundliche Wirtschaftspolitik? Heißt im Klartext: Auf der Seite stehen die Kostentreiber SPD und Grüne – und auf der anderen Seite (mit den Unionsparteien und der FDP) Deutschlands Zukunftsgaranten. Schöner hätte es auch Linnemann nicht formulieren können.

Über das Kanzler-Potenzial von CDU-Chef Friedrich Merz will sich Christian Lindner im ARD-Interview zwar (noch) nicht äußern, so billig will sich die FDP dann doch nicht verkaufen. Dafür rückt Lindner schon mal sein persönliches Ziel ins Zentrum: „Ich möchte Finanzminister bleiben.“ Der Brautpreis ist also gesetzt. Mal sehen, wer da 2025 zugreifen will.

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