Die Hetze im Magazin „Voice of Khorasan“ durch die afghanische Filiale der Terror-Miliz „Islamischer Staat“ (ISPK) kennt keine Grenzen: „Überfahren Sie die Ungläubigen (Kuffar) mit Ihrem Auto.“ Jegliche Attacken sind demnach Pflicht – mit dem Messer, mit Gift oder „blast ihnen mit Kugeln das Gehirn heraus und zündet ihre Häuser an“, heißt es dort.

In Solingen erfüllten sich am Abend des 23. August auf dem Stadtfest auf brutale Weise die Anweisungen des Terror-Pamphlets. IS-Dschihadist Issa al Hasan, 26, folgte genau dieser Devise.

Der syrische Flüchtling griff zu einem langen Küchenmesser, tötete drei Festivalbesucher und verletzte acht weitere teils schwer. Nach 26 Stunden stellte sich der gesuchte Attentäter der Polizei.

Abschiebeversuch nach Bulgarien scheiterte

Noch ist nicht viel über den Mann bekannt. Ende 2022 über die Türkei und Bulgarien nach Deutschland eingereist. Hier erzählte er die Mär, dass ein Onkel in Deutschland leben würde. Eine glatte Lüge, die aber die hiesigen Behörden schluckten.

Ein Abschiebeversuch nach Bulgarien scheiterte am Versagen der Ausländerbehörden. Acht Monate, nachdem er hierzulande einen subsidiären Schutzstatus erhielt, startete al Hasan seine Mordserie. Ein Bekennervideo soll ihn beim Treueeid für den Emir des IS zeigen.

Nach wie vor versuchen die Staatsschützer herauszufinden, ob der Tatverdächtige gezielt vom IS nach Deutschland entsandt wurde, um Anschläge zu begehen – oder ob es sich um einen jener Einzeltäter handelt, der sich selbst über das Internet radikalisierte. Denn bisher war al Hasan in keinem Islamisten-Raster aufgetaucht.

Bereits im Vorfeld der Europameisterschaft beunruhigten führende Staatsschützer wie den Kölner Kripochef Michael Esser jene „einsamen Wölfe“, die unter dem Radar der Terrorabwehr agieren.

„Der Fall ist erschreckend, aber auch richtungsweisend“

Die Videobilder zur Messer-Attacke des Islamisten Sulaiman A. (25) am 31. Mai in Mannheim wirkten bundesweit bei den Sicherheitsbehörden nach. Immer wieder hieb der Täter auf seine Opfer kurz vor der Kundgebung des Islamkritikers Michael Stürzenberger ein. Von hinten stach der Angreifer dem Polizisten Rouven L. in den Hals. Der Beamte starb einige Tage später. 

„Der Fall ist erschreckend, aber auch richtungsweisend“, erklärte Esser seinerzeit gegenüber FOCUS online. „Er zeigt, was Einzeltäter nur mit einem Messer in wenigen Sekunden anrichten können. Die Sicherheitsbehörden bekamen vermutlich nicht mit, wie sich der Mann radikalisierte.“ Messer-Angriffe unauffälliger Einzeltäter stehen auf der Liste möglicher Anschlagsszenarien der Terror-Abwehr ganz oben. 

2020 attackierte ein damals 20-jähriger Islamist zwei homosexuelle Männer in der Dresdner Innenstadt mit einem Messer. Eines der Opfer starb. Kürzlich wurde ein syrischer IS-Anhänger zu einer lebenslangen Haftstrafe in Duisburg verurteilt.

Der 27-jährige Maan D. hatte einen türkischstämmigen Mann erstochen und vier Männer in einem Fitnessstudio schwer verletzt. „Ich wollte so viele Menschen töten wie möglich und dann als Märtyrer sterben“, erklärte D. im Prozess. Anfang Dezember 2023 starb ein deutscher Tourist durch Messerstiche eines vorbestraften Islamisten in Paris.

Hassprediger und eine Salafisten-Gemeinde, die immer jünger wird

FOCUS online zeichnet ein umfassendes Bild der hiesigen Islamisten-Szene. Es geht um Hassprediger, die über ihre digitalen Netzwerke ihre User radikalisieren, um Einzeltäter, um eine militante, radikal-islamische Salafisten-Gemeinde, die immer jünger wird und um ausländische IS-Terror-Gruppen, die aufgrund laxer Kontrollen unter falschen Legende einreisen konnten und vom arglosen deutschen Staat alimentiert wurden.  

So hatte der ISPK-Ableger vom Hindukusch seit 2019 gleich mehrere Zellen zentralasiatischer Fanatiker nach NRW geschickt hat, um hier ein Blutbad anzurichten. Mal waren Drohnensprengsätze im Spiel, mal Bomben, mal Pistolen.

Bisher konnten die Sicherheitsbehörden die Anschlagspläne verhindern. Zuletzt reiste eine zentralasiatische ISPK-Zelle um den Turkmenen Ata A. problemlos am 1.März 2022 mit dem Auto über die Ukraine und Polen nach Deutschland ein.

Bei den hiesigen Behörden beteuerten die Flüchtlinge, vor dem russischen Angriffskrieg geflohen zu sein. Einige Neuankömmlinge legten gefälschte Papiere über einen Universitätsabschluss in der Ukraine vor. Andere behaupteten, ihren Ausweis verloren zu haben.

Umgang mit radikalen Islamisten ist schwierig

Hierzulande schöpfte niemand Verdacht, dass es sich um militante Islamisten handeln könnte, die im Auftrag des IS hierzulande Anschläge begehen sollten. Treuselig vertrauten die Ausländerbehörden dem Märchen, dass Ata A. und Co teils auch vor der Verfolgung in ihren Heimatstaaten geflohen seien.

Eine Abfrage bei den ukrainischen Strafverfolgungsbehörden hätte ergeben, dass einer aus der neunköpfigen Truppe wegen Raubmordes gesucht wurde. Nach dem mutmaßlichen Anführer wurde wegen eines versuchten Anschlags auf eine jüdische Veranstaltung in der Ukraine gefahndet.

Erst Nachforschungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz führten Ende 2022 auf die Spur der Terror-Zelle. Inzwischen müssen sich sieben von ihnen vor dem Oberlandesgericht verantworten. Personen aus dem Umfeld sollen an Weihnachten Sprengstoffanschläge auf den Stephansdom und die Kölner Kathedrale geplant haben. 

Wie schwierig der Umgang mit radikalen Islamisten ist, zeigt etwa der Fall eines Hasspredigers aus Herne. Der 57-Jährige Mehmet S. (Name geändert) soll vor der Festnahme engen Kontakt zur ISPK-Zelle gehabt haben.

Insbesondere NRW gilt als Salafisten-Hotspot

Observationen belegen, dass die Terror-Clique bei ihm ein und ausging. Die Adresse galt laut Bundesanwaltschaft mutmaßlich als Umschlagplatz für Materialien zum Bombenbau.

Der deutsch-türkische Imam verbreitet nach Erkenntnissen der Terror-Abwehr in seiner Hinterhofmoschee salafistisches Gedankengut. Bochumer Staatsschützer gehen davon aus, dass dieser Treffpunkt als Anlaufstelle für „Personen des dschihadistischen Spektrums“ fungiert. 

Vor dreieinhalb Jahren wurde Mehmet S. durch das Oberlandesgericht Düsseldorf wegen der Unterstützung einer afghanischen Terror-Gruppe zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.

Die Strafe setzte der Staatsschutzsenat zur Bewährung aus. Wegen der überlangen Verfahrenslänge fiel der Schuldspruch vergleichsweise milde aus. Seither agitiert der Islamist weiter gegen die „Ungläubigen“ (Kuffar), weil sich ihm nichts nachweisen lässt. 

Neben Berlin, Hamburg, Bremen, Hessen, Bayern und Baden Württemberg gilt insbesondere NRW als Salafisten-Hotspot. Zwar sank die Zahl der Extremisten an Rhein und Ruhr von 3200 in den vergangenen vier Jahren auf 2600, zugleich aber müssen die Staatsschützer 600 gewaltbereite Dschihadisten im Blick behalten, heißt es im nordrhein-westfälischen „Lagebild Islamismus 2024“.

„Extremisten inszenieren sich als Influencer“

Von den bundesweit knapp 500 islamistischen Gefährdern stehen 187 auf der Liste der NRW-Terrorabwehr. Ferner dokumentieren auch andere Zahlen im Report des Landesamtes für Verfassungsschutzes, wie angespannt die Situation ist. Seit April 2020 seien sieben Terroranschläge im bevölkerungsreichsten Bundesland verhindert worden, heißt es in dem Bericht. 

Alle islamistischen Gruppierungen agitieren laut NRW-Verfassungsschutz gegen Israel, wobei die Hetze seit dem Überfall der palästinensischen Terror-Organisation „Hamas“ am 7. Oktober 2023 massiv zugenommen habe. „Die aktuelle Konfliktlage im Nahen Osten bietet Ansätze für eine Instrumentalisierung durch Islamisten und ermöglicht diesen weit über ihr Kernklientel hinaus bis in die Mitte der Gesellschaft hinein um Anschluss und Solidarität zu werben“, so ein Fazit. 

Inzwischen wirkt das Internet wie eine Radikalisierungsplattform für die neue Hassprediger-Garde. In NRW treten radikale Vorbeter gelegentlich vor Tausenden Sympathisanten auf.

„Das Internet wird mehr und mehr zum Hochleistungsmotor für Radikalisierung“, betonte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) unlängst bei der Vorstellung des Lageberichts: „Hass-Prediger haben ihre Online-Propaganda perfektioniert, Extremisten inszenieren sich als Influencer mit schlichten, reaktionär-patriarchalischen Wertvorstellungen.“ 

„Die Islamisten wollen die Scharia einführen“

So macht etwa die „Generation Islam“ samt ihrem Vorredner Ahmad Tamim durch ihre Propaganda in Social-Media-Kanälen wie Facebook, Instagram oder TikTok mit mehr als 70.000 Followern von sich reden. Die  Vereinigung gehört nach Erkenntnissen der Verfassungsschützer zum Umfeld der verbotenen Extremisten-Organisation „Hizb ut-Tahrir“-Partei“.

Der Palästinenser Tamim gehört laut den Staatsschützern zur neuen Generation junger islamistischer Hetzer, die über ihre Online-Plattformen wie „Realität Islam“ oder „Muslim interaktiv“ gegen die hiesigen demokratischen Staatsorgane agitieren.

Unlängst warnte Hamburgs Verfassungsschutzpräsident Torsten Voß vor einer „TikTokisierung“ des extremistischen Islam. „Die Islamisten wollen die Scharia einführen, sie akzeptieren unsere Gesellschaftsordnung nicht und wollen diese überwinden.“ Demagogen wie Marcel Krass, Abdelhamid oder Abu Alia treten im Netz wie Popstars auf.

Dazu zählt etwa auch Joe Adade Boateng, das Gesicht von „Muslim interaktiv“. Diese Gruppe wird bundesweit auf 800 Mitglieder geschätzt. Im NRW-Islamismus-Report ist von einem neue Lifestyle-Gefühl die Rede. Neuerdings sei es schick, ein Salafist zu sein, um sich abzugrenzen.Die islamistischen Sentenzen verfangen gerade bei der jüngeren Generation.

Täter werden immer jünger

Zu Ostern 2023 wurden drei Jugendliche aus NRW im Alter von 15 bis 16 Jahren festgenommen, die sich ebenfalls überislamistische Chatforen radikalisiert hatten. Mit einem weiteren Teenager aus Baden-Württemberg hatten sie laut Staatsanwalt Düsseldorf einen Mordanschlag geplant. Die IS-Anhänger wollten offenbar mit Molotowcocktails, Sprengsätzen und Messern auf Menschen losgehen.

Der Fall zeigt, dass die Täter immer jünger werden. Nach einer Untersuchung des „Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik“ der Universität Hamburg war jede fünfte Person, die zwischen 2016 und 2022 in Deutschland islamistisch motivierte Terroranschläge vorbereitet oder durchgeführt hatte, keine 18 Jahre alt.

Anfang Dezember vergangenen Jahres wurde ein 15-jähriger Deutsch-Afghane aus dem Rheinisch-Bergischen-Kreis festgenommen, weil er mit einem Komplizen auf dem Weihnachtsmarkt in Leverkusen-Opladen einen mit Gasflaschen gefüllten Kleinlaster hochgehen lassen wollte.

Neben diesem „Trend zum jugendlichen Attentäter“, wie es ein Staatsschutz-Ermittler nennt, werden in NRW zunehmende Kontakte zwischen Salafisten-Predigern und kriminellen kurdisch-libanesischen Clans registriert.

Bonner Hassprediger gilt als Star der Szene

Der Bonner Hassprediger Abdul Alim Hamza beispielsweise, der seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet wird, agitiert in einer Moschee und gilt auch wegen seiner Internetpräsenz als einer der „Stars“ der Szene. Auf Messenger-Plattformen posiert er gerne mit dem Berliner Clan-Boss Arafat Abou-Chaker

Wenn sich das organisierte Verbrechen zukünftig „ernsthaft mit islamistischen Hetzern“ verbinde, wäre das „komplex und hochgefährlich“, resümiert ein Staatsschützer. 

Wie leicht sich syrische Terroristen im Flüchtlingsstrom seit der Ära von Bundeskanzlerin Merkel nach Deutschland einschmuggeln konnten, beweist der Fall des Syrers Khaled A., alias Abu Ali. 

Schon kurz nachdem sich der Syrer 2015 nach Deutschland abgesetzt hatte und als Kriegsflüchtling anerkannt wurde, tauchte er ab in die Parallelgesellschaft mit islamischem Scharia-Gericht und archaischen Wertbegriffen, in der die hiesige Justiz nichts gilt und die deutsche Demokratie sowieso nichts.

Nach seiner Einreise tauchte Abu Ali ab in der arabisch-türkischen Unterwelt

Das hinderte ihn aber nicht daran, seine beiden Frauen und die Kinder nach Deutschland zu holen. In Wuppertal lebte die elfköpfige Familie, bezahlt vom Jobcenter, auf zwei Etagen in zwei Wohnungen. Der angebliche Kriegsflüchtling entpuppte sich in Wahrheit als Mitglied der islamistischen Terror-Organisation „Jabhat al-Nusra“, die zum Al-Qaida-Netzwerk zählt. 

Nach seiner Einreise tauchte Abu Ali ab in der arabisch-türkischen Unterwelt an Rhein und Ruhr. Hier mischt sich islamistische Terrorfinanzierung ins Ausland mit Drogenhandel, Schutzgelderpressung, Überfällen, Raub, Folter und Geiselnahme sowie Schleuserkriminalität, gewerbsmäßiger Betrug, Steuerhinterziehung nebst Geldwäsche. 

Der Syrer lenkte zudem eine brutale Geldeintreiber-Bande, die in erster Linie für ein international operierendes Finanzschieber-Kartell arbeitete. Das Netzwerk schleuste über das orientalische Hawala-Banking binnen fünf Jahren mindestens 160 Millionen Euro an den deutschen Finanzbehörden vorbei in die Türkei und nach Syrien.

Vermutlich auch an Terrororganisationen in Syrien. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelte gegen 90 überwiegend syrische Beschuldigte. Im April 2023 wurde Abu Ali in zwei Strafprozessen im Hawala-Komplex sowie der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung insgesamt zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt.

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