Falls demnächst die GrĂĽnen bei einer Mitgliederentscheidung ĂĽber ihren Kanzlerkandidaten abstimmen, sollten sie sich vorher diesen Sieben-Minuten-Auftritt ihrer ersten Kanzlerkandidatin vor einem Millionenpublikum anschauen. Aber halt – macht es Annalena Baerbock tatsächlich schlechter als Robert Habeck?   Â
Annalena Baerbock agiert einfach peinlich, unangenehm wirkt auf den Zuschauer allerdings auch, dass die „Tagesthemen“-Moderatorin Jessie Wellmer nicht korrigiert, sondern sie einfach gewähren lässt. Dabei sind es nicht nur Baerbocks Versprecher, die immer wieder fĂĽr Irritationen sorgen. Inzwischen ist es auch ihr Amtsverständnis.   Â
Baerbock nennt Xi Diktator und will dann was von ihm
Bei Maischberger brachte es der langjährige Siemens-Chef, selbst ein China-erfahrener Weltreisender, auf den Punkt: Es habe wenig Sinn, sagte Heinrich von Pierer, wenn man als deutsche AuĂźenministerin die Chinesen bitte, ihren Einfluss auf Russland zu nutzen, damit Putin seinen Krieg beendet, wenn man vorher den chinesischen Staatspräsidenten einen „Diktator“ nennt.   Â
Dieser Fall offenbart nicht nur fehlendes Geschick, sondern auch fehlende interkulturelle Kompetenz. Jeder Politiker, der zu politischen Gesprächen ins Land der Mitte fährt, weiĂź, man darf sein GegenĂĽber nie dĂĽpieren. Man darf Chinesen kritisieren, auch bei Menschenrechtsverletzungen, aber stets hinter verschlossenen TĂĽren. Chinesen dĂĽrfen nie ihr Gesicht verlieren. Interkulturelle Kompetenz ist eine der Kernkompetenzen, die gerade eine AuĂźenministerin mitbringen muss.   Â
Baerbock schlingert auf diplomatischem Parkett
Baerbocks Ton im Ausland ist belehrend. Sie sagt, was sie denkt. Zu sagen, was man denkt, ist allerdings oft das Gegenteil von Diplomatie. Diplomaten sollten rollengerecht agieren, bis zur Perfektion hat es Deutschlands Rekord-AuĂźenminister Hans-Dietrich Genscher beherrscht und ĂĽber viele Jahre zum Nutzen der Bundesrepublik praktiziert. Er sprach viel und sagte wenig, jedenfalls niemals, wenn Kameras liefen. Er war bei seinen internationalen Gesprächspartnern hoch angesehen – auĂźer bei konservativen amerikanischen Regierungen, die ihn fĂĽr „fishi“ hielten. Und die Deutschen mochten und achteten ihn.   Â
Israel ist das seifigste diplomatische Parkett auf der Welt – wegen der Komplexität der Konflikte, wegen der deutschen Geschichte. Was hat sich Annalena Baerbock dabei gedacht, als sie noch vor ihrem Treffen mit dem Regierungschef Netanjahu erklärte, ihn von einem RĂĽck-Angriff auf den Iran abbringen zu wollen? Damit war doch alles klar – weshalb flog sie noch hin? Und sonnenklar war auch, dass sie sich eine Ohrfeige abholen wĂĽrde, Netanjahu machte ihr klar, dass die Israelis die Dinge schon noch alleine entscheiden wĂĽrden, aller „möglichen Vorschläge“ zum Trotz: „Ich möchte klarstellen, dass wir unsere Entscheidungen selbst treffen werden.“   Â
Solche Dinge passieren nicht oft auf diplomatischem Parkett – aus guten GrĂĽnden. Wer will schon seinen VerbĂĽndeten bloĂźstellen? Aber Baerbock hatte Netanjahu keine Wahl gelassen, durch ihre öffentlichen Ă„uĂźerungen noch vor dem Treffen. Schon bei einem Israel-Besuch davor hatte sie eine unglĂĽckliche Figur gemacht.   Â
Baerbock belehrte die Israelis von oben herab
Es ging um Hilfslieferungen nach Gaza, Baerbock hatte wiederholt in dramatischen Worten auf die humanitäre Lage in der Hochburg der Terror-Organisation Hamas hingewiesen. Gerade an diesem Donnerstag kursierten Aufnahmen von den Stränden vor Gaza – die voll sind von Männern und Kindern, die sich in den Fluten vergnĂĽgen. Gleichfalls Fotos von StraĂźenmärkten in Gaza-Stadt, die ĂĽppig befĂĽllte Obst- und GemĂĽsestände zeigen. Sieht so ein verhungerndes Volk aus?   Â
Jedenfalls belehrte Baerbock die Israelis von oben herab: „Wir erwarten, dass die israelische Regierung ihre AnkĂĽndigungen rasch umsetzt.“ Das ist mindestens unhöflich, undiplomatisch ist es allemal. Dann lieĂź Baerbock noch den Nachsatz folgen: „Keine Ausreden mehr“ – was unter befreundeten Ländern und Regierungen eher unverschämt als unangemessen ist.   Â
Selbstredend erreicht Baerbock mit ihrer Brachialdiplomatie im Ergebnis nichts. In Nahost hat Deutschland so gut wie keinen Einfluss – die Amerikaner schicken Flugzeugträger, Briten und Franzosen sind mit Kampfflugzeugen dabei, wenn das Existenzrecht Israels gegen dessen Erzfeind Iran verteidigt wird. Deutschland schickt Baerbock.   Â
Peinliche Versprecher
Was fĂĽr Deutschland gilt, gilt fĂĽr Europa insgesamt: Obwohl der Nahe Osten vor der HaustĂĽr liegt, spielt Europa dort keine Rolle. In Israel-Fragen sind die Europäer heillos zerstritten, die Deutschen sind mit ihrer Pro-Israel-Haltung eher noch in der Minderheit. Die einflussreichsten Mächte in Nahost auĂźerhalb Nahost sind die USA und Russland.   Â
Den wohl peinlichsten Versprecher leistete sich Baerbock, als sie in den „Tagesthemen“ den Terror-Anschlag vom 11. September 2001 auf den 9. September vorverlegte. Sie hatte 9/11 einfach falsch konnotiert, das kann passieren, weil die amerikanische Darstellung von Daten umgekehrt ist wie die deutsche. Aber es darf einer AuĂźenministerin eben nicht passieren. Man stelle sich einen Moment vor, dieser Fehler wäre ihr nicht in der ARD unterlaufen, sondern während eines Besuchs in Washington bei einem Interview mit CNN.   Â
Die BundesauĂźenministerin und der Vizekanzler sind in diesen Tagen beide auf auĂźenpolitischer Mission unterwegs. Robert Habeck in der Ukraine. Dort traf er den Präsidenten Selenskij. Und sagte ĂĽber Deutschlands Rolle bei den Waffenlieferungen: „It took too long and it was too late.“ Es hat zu lange gedauert und es war zu spät – nicht jeder Politiker in Deutschland wĂĽrde dies zugeben, fĂĽhrte Habeck sĂĽffisant weiter aus. Und dann: „I feel deeply ashamed.“ Er schäme sich dafĂĽr. Es sei auch sein Job gewesen, der Ukraine so schnell so viel Waffen wie möglich zu liefern.   Â
ARD-Ukraine-Korrespondent Vassili Golod teilte auf der Plattform X diese Sequenz, und ordnete Habecks Verhalten so ein: „Er versteht, dass die Ukraine unter Druck ist und hat die Größe, Fehler einzugestehen. Dass das Kanzleramt behauptet, ‚genau das Richtige immer zum richtigen Zeitpunkt’ getan zu haben, ist zynisch und auch falsch.“ So kann man es sehen, vor allem dann, wenn man seine Rolle als deutscher ARD-Berichterstatter auch aktivistisch darin sieht, die ukrainische Regierung zu unterstĂĽtzen.  Â
No Go: Habeck trägt innenpolitischen Konflikt ins Ausland
Man kann es aber auch anders sehen – ganz anders: Der Vizekanzler von den GrĂĽnen trägt einen innenpolitischen Streit, auch noch innerhalb der eigenen Regierung, ins Ausland. Er widerspricht gegenĂĽber dem Staatsoberhaupt eines ausländischen Staates dem eigenen Bundeskanzler. Er „schämt“ sich – offenkundig fĂĽr das, was er fĂĽr eine Fehleinschätzung des eigenen Bundeskanzlers hält. Um dann seine eigene Rolle nicht nur in ein rechtes Licht zu setzen, sondern gleich auch noch zu ĂĽberhöhen. Oder entscheidet jetzt nicht mehr der Inhaber der Richtlinienkompetenz, sondern der Bundeswirtschaftsminister ĂĽber die Taurus-Raketen?   Â
Jetzt ist also die Ampelkoalition nicht nur im Inland zerstritten, sondern auch noch im Ausland. Und das in einer zentralen sicherheitspolitischen Frage. Glaubt Habeck, er hätte mit diesem liebedienerischen Auftritt in Kiew den Interessen Deutschlands gedient? Glaubt er, sich damit zum Kanzlerkandidaten der GrĂĽnen qualifiziert zu haben?   Â
Die beiden wichtigsten Vertreter der GrĂĽnen, die Minister fĂĽrs Ausland und fĂĽr die Wirtschaft, machen in diesen Tagen als Repräsentanten Deutschlands im Ausland keine gute Figur. Sie offenbaren auch ein seltsames Rollenverständnis. Deutschlands AuĂźenpolitik sollte etwas anderes sein als das öffentliche Jonglieren mit den eigenen, idealistischen Befindlichkeiten.   Â